Auch die phantastischen Bildwelten von Rao Fu sind von den unterschiedlichen Kulturen des Ostens und Westens geprägt, wie auch seine eigene Biografie diese beiden Pole vereint. Fu wurde in Peking geboren und wuchs in Tsingtau auf.
Mit Anfang zwanzig kam er nach Deutschland, um an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden Malerei und Grafik zu studieren. Was er dort an westlichen Kunsttraditionen lernte, verbindet er mit Techniken, Motiven und Materialien chinesischer Malerei, deren wichtigste Utensilien Papier, Pinsel und Tusche sind. Nach einigen Experimenten – unter anderem mit Sojasauce – entdeckte er Bitumen als Farbe, die er bis heute in Kombination mit Pigmenten und Ölfarben verwendet.
Weil das schwarz-braune, ölige Bitumen wasserlöslich ist, vereint es Eigenschaften westlicher Ölmalerei mit der Ausdrucksvielfalt von chinesischer Tuschemalerei. Je nach Wahl des Pinsels, der Saugfähigkeit des Papiers und der Dosierung der Wassermenge lässt sich die Intensität des Farbauftrags nuanciert steuern. Feinste Ausarbeitung von Details ebenso wie eine sparsame, fast grobe Linienführung, mit der sich ein Motiv mit wenigen Strichen andeuten lässt, finden sich auf den Bildern wie „Follow Wind“ von 2014, wobei Rao Fu seine Farbpalette auf eher dunkle, erdige Schwarz-, Braun- und Grautöne beschränkt, die durch Akzente in Blau, Rot und zuweilen Gelb ergänzt werden. Als programmatisch für seine Malereiauffassung kann der Titel der Serie von Gemälden interpretiert werden. „Follow Wind“ ist eine freie grammatikalische Übersetzung von „sui feng“, dessen Bedeutung sich nicht in „mit dem Wind“ erschöpft, sondern ebenfalls einer „Intuition zu folgen“ meint.
Selbst bei der Künstlergeneration von Rao Fu besteht ein starkes Bewusstsein für die technischen, aber auch die philosophischen Ressourcen der eigenen Malereitradition, beim Malen den Gedanken freien Raum zu lassen und den Pinsel ohne Intentionalität auf den Malvorgang zu führen.
Dr. Constanze von Marlin
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