Horst Hagen Rath - Ausstellung „komplexe Moralität“ bei heissingsART Berlin
Dem Betrachter, besonders dem deutschen Betrachter, der sich in dem indifferenten Feld der neuen politischen Korrektheit aufhält, müssen die Werke des Malers Horst Hagen Rath übel aufstoßen. Zeigen Sie doch eine komplex angelegte Differenzierung des alten und neuen geschichtlichen Schandflecks in der jüngeren deutschen Vergangenheit, ein thematischer Aufenthaltsort, der allzu gern gemieden, also verdrängt wird. Rath entstammt aber einer Generation, die in der verdrängenden Quälerei der Ausdauung des sogenannten 1000-jährigen Reiches und dem verlorenen Krieg, gleich mit einer Flut von Ideologien beschossen worden ist. Die Demütigung des Untergangs der faschistischen Zeit in Deutschland sitzt noch heute tief, weil die psychogene Situation der Jahre 1933-1945 so unverdaulich scheint.
Auf der einen Seite widerfuhr dem durch die Versailler Verträge erniedrigten Deutschland durch die scheinbare Wiedererstarkung unter den Nationalsozialisten ein schizophrenes Schicksal, zum Einen die „Freude“, endlich wieder wer zu sein, zum Anderen das fast vollkommene Ideologie-Diktat einer rigoros defaitierenden Herrschaftskultur. In solchen Zeiten werden die nationalen Werte dirigistisch auf den Kopf gestellt, umgewertet, teils zum Todfeind gestempelt. Da die absolutistischen Strukturen sehr empfindlich, sehr fragil sind, da sie nicht der Natur des Menschen in Gänze entsprechen, werden differentes Denken und z.B. die schönen Künste plötzlich brandgefährlich für die Herrschenden.
Das Nachkriegsdeutschland litt unter zwei Unvereinbarkeiten, der grassierenden Feigheit des Großteils der Bevölkerung, die arischen Märchen glaubte und sich für sie kastrieren ließ und dem schmählichen, leidvollen Schnellverlust dieser gewollten Größe durch den zutiefst erniedrigenden Untergang und die Zerstörung einer rauschhaften Selbstverleugnung. 1945 hätte die „Nation“ in den Reststücken des ehemaligen Territoriums eine große innere Buße oder eine gewinnende Psychotherapie gebraucht, indes passierte fast nichts dergleichen.Neue, sehr unterschiedliche Ideologien schlugen in diesem Land wiederum heftig aufeinander und führten zu klischeehaften Verzeichnungen und politischen Setzungen, aus denen wenigstens der aufoktroierte kapitalisierende Materialismus als Wunderdroge im Wirtschaftswunderland hübsch herausgeschält werden konnte. So suchte sich die unreine Seele der Deutschen eine neue Heimat im Wohlstand, nicht in der Läuterung und sucht bis heute das Heil in einer indifferenten Verklitterung der eigenen Geschichte.
Der Status quo bleibt die wabernde Verdrängung im neu satisfaktierten, materialistisch egozentrischen Bürgertum, welches besonders dann mit toxischer Stimme unterwegs ist, wenn es über Andere und ihre Befindlichkeiten urteilt und das auch noch mit gespaltener Zunge. Horst Hagen Rath ist einer, der das alles in seinem Leben durchfahren hat, der aber die gesellschaftliche Geschichtserfahrung wach und sinnvoll kritisch begleitet hat und der dessenthalben „schon“ Anno 2001 mit einer Gemäldereihe beginnt, die als visionär gelten dürfte. Seine Werke schmerzen eben gerade jene oben erwähnten „Neudeutschen“, die Teil der moralisch schnatternden Gänseherde sind, die in ihrem hedonistischen Da-Sein in der Tagesaktualität en vogue sind, zugleich aber keine existenzielle Belastbarkeit atmen.
Dabei gibt der Maler Rath der Betrachterin und dem Betrachter einige Hilfen mit auf den Weg. Im Golgatha-Bild zitiert er Jesu Tod, richtet die Perspektive in einen vergrauten Himmel und setzt den mit Stacheldraht gebundenen Kreuzen aus Birkenholz den deutschen Stahlhelm auf, mit dem der jeweilige Tod eines Menschen symbolisiert ist: Ecce homo. Im Kainsbild verdeutlicht Rath die verdrängte altjüdische Weisheit, daß nicht Abel, der Gute, unser menschlicher Urvater ist, sondern Kain, jener Brudermörder, der symbolisch für unser aller Sein als Präposition steht. Die abwehrend schützende Geste eines satten Mannes vor seiner chinesischen Maske der Lüge, mit Stahlhelm vor einem kleinen Tischausschnitt, auf dem das kleine Modell eines edlen Automobils steht, beschreibt die o.e. Wirklichkeit der politischen Realität unserer Tage.
Horst Hagen Raths Werke sind eine scheinbar schwer zu ertragende Mischung aus kritischer Klarheit und geschichtlicher Ausgrabung jener „Leichen“, die wir verdrängen. Rath albert nicht mit dem Schrecken und der Propaganda der nationalen Sozialisten herum, wie es etwa Jonathan Meese tut, dessen selbsteitler Gebrauch von tabuisierten Inhalten keine Ernsthaftigkeit atmet. Trotzdem leuchtet in Raths Bildern Humor auf, beißender fürwahr, der Humor entsteht in der Entsprechung zur Wirklichkeit, wenn ein wiederum nackter Mann, an einem wiederum bedeckten Tisch das Hütchenspiel spielt und unter den Stahlhelmhütchen einen kleinen Panzer findet.
Schließlich scheint es doch wenigstens in einem Bild so, daß Horst Hagen Rath uns aus dem befangenen Blick befreit, der durch den Stahlhelm so ungenießbar schmeckt, mit einer wunderbaren Landschaft von einem frostigen, frühlingsschneebedeckten Acker, der in einer fast jugendstilhaften Musterung an einen kalten Fluß grenzt, uns versöhnlich stimmen möchte: Ein uns allen bekanntes Bild aus der Landwirtschaft, kurz vor der Bestellung der Felder im Frühling. Auf den zweiten Blick erst entblößt Rath unser aktives Verdrängungsbewußtsein: Der Bildtitel „Panzerspuren“ löst einen Kosmos von Assoziationen aus, die Erinnerung an das Damals und gegenwärtige Heute machen uns deutlich klar, daß uns die Verdrängung des Kainmals nicht wird gelingen können, suhlen wir uns auch noch so sehr selbstverliebt in unserer sicheren gesellschaftlichen Scheinmatrix, in der wir angeblich keine Täter sind.
Rath schließt mit seiner Malerei eine Lücke in diesen Tagen und stellt sich inhaltlich in eine Reihe mit etwa Dürer, Goya, Dix, Duwe und Kiefer. Im Eigentlichen orientiert sich die klassische Kunst an der Aisthesis (Ästhetik), für die die Griechen 16 Begriffe wie Heimat, Geborgenheit, Ebenmaß, Orientierung und Wohlbefinden setzten, auch Oscar Wilde schreibt, daß in Kenntnis der Natur des Menschen die Kunst doch der Schönheit diene. Horst Hagen Raths Schönheit besteht in seiner Aufrichtigkeit, Klarheit und fehlenden Allüre seiner Werke, die Formen zeitgenössich-ästhetischer Eitelkeit zu vermeiden sucht.
Text: Augustin Martin Noffke